Was tun, wenn Kunden in die Insolvenz gehen?

Ihre Ware ist verschickt, die Dienstleistung erbracht, die Rechnung gestellt, aber nichts passiert. Ihr Kunde rührt sich nicht, diverse Zahlungsziele sind verstrichen und der Fall möglicherweise bereits seit längerer Zeit bei Ihrem Inkasso-Partner. Sie ahnen es schon: Ihr Kunde scheint in die Insolvenz zu gehen. Und letztlich passiert es. 

Ob es sich für Sie lohnt Ihre Forderungen im Insolvenzverfahren Ihres Kunden geltend zu machen und welche Kriterien Sie dabei abwägen sollten, erfahren Sie im Interview mit einer Insolvenz-Expertin.

FTJ: Ab welchem Betrag lohnt es sich seine Forderung im Insolvenzverfahren anzumelden?

Expertin: Grundsätzlich kann man jede Forderung anmelden. Das Insolvenzverfahren ist ein prozessualer Aufwand, bei dem man als Laie viel falsch machen kann. Dann steht der Aufwand nicht mehr im Verhältnis zum Nutzen. Im schlimmsten Fall wird die angemeldete Forderung zurückgewiesen und man geht leer aus. Damit es sich lohnt empfehle ich einen Betrag von mindestens 2.000 Euro. 

FTJ: Es gibt also viele Hürden im Insolvenzverfahren – wie kann man es als Gläubiger richtig machen?

Expertin: In den meisten Fällen gehört das Insolvenzrecht nicht zum Kerngeschäft des eigenen Unternehmens. Aus zwei Jahrzehnten Erfahrung weiß ich: Es ist besser sich Hilfe zu holen. Die Forderung muss zunächst erstmal ordentlich Zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Ist der Forderungsgrund unklar, kann die Forderung bestritten werden und dann wird es in der Regel komplizierter. Eine angemeldete Forderung im Insolvenzverfahren kann vom Insolvenzverwalter, vom Schuldner und den anderen Gläubigern bestritten werden. Das kann bis zur Klage auf Feststellung gehen. Bei all dem sind natürlich Fristen zu beachten, das Nicht-Einhalten kann obendrein teuer werden. Meldet man seine Forderung also zu spät zur Insolvenztabelle an, dann fällt zusätzlich noch eine Gebühr an.

FTJ: Wer unterstützt mich als Gläubiger im Insolvenzverfahren und wie?

Expertin: Im B2C-Bereich erfährt man als Gläubiger in der Regel von einer Schuldnerberatung, dass der Kunde plant in die Insolvenz zu gehen. Das Insolvenzrecht gibt vor, dass der Schuldner zunächst einen außergerichtlichen Einigungsversuch mit all seinen Gläubigern unternehmen muss. Das ist häufig obligatorisch und der Versuch scheitert. Erst dann kann der Schuldner den Antrag auf Privatinsolvenz gestellt stellen. Und genau dann wird es auch wirklich wichtig, dass der Gläubiger seine Forderung korrekt geltend macht. Am besten ist es also, wenn bereits vorher ein Fachmann zur Stelle ist. Das kann ein Rechtsanwalt sein oder ein Inkasso-Dienstleister. Aus der Erfahrung empfehle ich letzteres.

FTJ: Warum ist ein Inkasso-Dienstleister eine gute Unterstützung im Insolvenzverfahren?

Expertin: In der Regel ist der Inkasso-Partner schon länger mit dem Schuldner in Kontakt, bekommt rechtzeitig alle Informationen und weiß, was zu tun ist. Die Kommunikation läuft professionell in alle Richtungen. Es gilt mit Schuldnerberatungen, Gerichten, Insolvenzverwaltern und dem Schuldner selbst zu kommunizieren und jeweils den richtigen Ton zu treffen – das ist schlicht die Kernkompetenz von Inkasso-Unternehmen. Darüber hinaus verfügen Inkasso-Dienstleister über rechtliche Fachkenntnisse und können Ihnen zur Seite stehen, wenn die Frage kommt: Betreiben wir den Aufwand und melden eine Forderung für das Insolvenzverfahren an oder lassen wir es aus wirtschaftlichen oder sozialen Aspekten lieber bleiben. 

FTJ: Was passiert nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit der Forderung des Gläubigers?

Expertin: Zunächst mal übernimmt der Partner ja die ordentliche Geltendmachung der Forderung und hält sämtliche Fristen im Blick. Man braucht sich selber nicht mehr kümmern. Auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleibt ein Inkasso-Partner dran. Denn der Schuldner muss während des Insolvenzverfahrens Regeln einhalten – jahrelang. Es ist mitunter mühsam das konsequent nachzuhalten, erst recht, wenn man mehrere Kunden hat, die sich im Insolvenzverfahren befinden. Am Ende einer jeden Privatinsolvenz geht es um die Restschuldbefreiung – das heißt: Wenn man nicht an erster Stelle der Gläubiger-Liste steht, geht man trotz allem leer aus. Die Experten prüfen dann, ob die Restschuldbefreiung gegebenenfalls versagt werden sollte und man doch noch Chancen auf die Forderung hat.

FTJ: Wie schätzen Sie persönlich das Potenzial für Insolvenzanmeldungen ein?

In den vielen Jahren, die ich im Forderungsmanagement tätig bin, habe ich schon viele Fälle begleitet, bei denen hohe Forderungen trotz Insolvenzbeschluss noch realisiert werden konnten. Besonders in den letzten Jahren, ich bin seitdem für die DIAGONAL Gruppe tätig, konnte ich feststellen, dass das Aufkommen an beantragten Insolvenzen gestiegen ist. Das liegt an vielen gesamtwirtschaftlichen Faktoren. Deshalb sehe ich gerade deshalb viel Potenzial auch in Insolvenzverfahren – wenn man denn einen Experten an seiner Seite hat, der die Fallstricke meistert.

FTJ: Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.

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